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Wann ist Wein nicht vegan?

von Andrew Holloway Juni 08, 2021 3 min lesen.

Das Rückenetikett unseres Standard-Rosé. Jeder wird den Wein lieben. Sogar die Elsners.

Per Definition kann man sagen: "Wein ist nicht vegan, wenn er mit Hilfsmitteln tierischen Ursprungs in Kontakt kam."

Aber was heißt das genau? Was für ein Kontakt ist gemeint? Was sind das für Hilfsmittel?

"Klärung" kurz erklärt

Ziel jeglicher Klärung von Wein ist das Entfernen von Partikeln im Wein, die ihn trüben oder biologisch instabil machen können.

Dabei ist die Bestrebung immer, den Wein frei von Klärungs-Rückständen zu halten. Das Klärmittel wird dem Wein zugefügt, bindet Trübstoffe und fällt letztlich damit zu Boden. Entweder durch Dekantieren oder Filtrieren wird der Wein dann wieder vollständig vom Klärmittel getrennt. Der Wein ist rückstandsfrei, der Schmock ist weg, der Wein ist klar.

Soweit alles geklärt, bis auf:

Welche Hilfsmittel gibt es überhaupt? (alle Angaben ohne Gewähr)

a) Hilfsmittel tierischen Ursprungs

Mittel
Zweck
Ursprung
Vegan
 Bio
Kassein Klärung Milch nein ja
Albumin Klärung Geflügel, Ei nein ja
Kollagen Klärung Fischblase nein ja
Gelatine Klärung Knochen nein ja

    

b) Hilfsmittel nicht-tierischen Ursprungs

Mittel
Zweck
Ursprung
Vegan
 Bio
Kieselgur Filtrieren Heilerde,Diatome ja ja
Bentonit Filtrieren Erdablagerung ja ja
Proteine pflanzlichen Ursprungs Flocculation für die Klärung hergestellt ja ja
PVPP Klärung, Entfärbung Mikro-Kunststoff* ja nein

Wozu der Einsatz von “veganen Hilfsmitteln”?

Jede Klärungshilfe hat seine Berechtigung. Die tierischen Ursprungs sind technisch nicht besser, nur sechstausend Jahre alt. Es gibt keinen Grund sie einzusetzen.

Läßt man sie weg, kann dadurch jeder Wein als vegan deklariert werden. Dann ist veganer Wein keine Herausforderung, oder? Ja, doch schon. Denn: Flocculation ist nichts für Anfänger.


Über Veganer und Veganismus

Vorab: Ich bin kein Veganer. Ich muss das nicht weiter erläutern. Ihr wisst, was damit gemeint ist. Aber ich erkenne den Veganismus als Philosophie an, und nenne mich selbst Alltagsphilosoph.

Veganismus fordert uns heraus nachzudenken. Wer seine Entscheidungen im Umgang mit Nahrung, Mensch, Tier und Umwelt nicht prüft, handelt fahrlässig. Natürlich sollte man einen Verzicht eingehen, um mit seiner persönlichen Überzeugung in Einklang zu sein. Wann ist es verkehrt über unser Handeln nachzudenken?

Die Veganer mit denen ich Gespräche über Veganismus geführt habe, ausgerechnet Neuseeländer, aufgeklärt, humorvoll und reich wie Krösus, haben mir zwei charmante Faustregeln mitgegeben:

1. “Don’t eat anything with a face.”
(Den "New Zealand Accent" müsst ihr euch selbst dazu denken! Geht? OK, weiter.) “Don’t eat anything with a fice.” Somit verstehe ich als Nicht-Veganer den Veganismus in erster Linie als eine Praxis der Barmherzigkeit.

2. “Read Peter Singer.”
Das habe ich auch getan. 

Aber nun raus aus der Theorie und rein in die Praxis:

Meine Tochter, sieben Jahre alt, isst gerne Fleisch. Wir kaufen am liebsten Demeter Rind- und Schweinefleisch aus Thüringen. Nicht schlecht! Nicht schlecht! So kann man sich seine heile Welt zurechtfrickeln.

Ich werde ihr nicht sagen, dass sie Nichts essen soll, was ein Gesicht hat.

Wenn aber der Tag gekommen ist, an dem sie es zu mir sagt, und der Tag wird kommen, werde ich vor ihrer Barmherzigkeit wehrlos sein...und ihr eine Auster knacken.

No face, no problem. ;)

Fußnoten

* Ist PVPP nicht einer der Arten Mikroplastik die die Welt, die Meere, die Fische, den Sand am Strand, die Luft die wir atmen in Begriff ist zu verseuchen?
Ja. Allerdings wird davon so wenig gebraucht um Wein zu klären, dass man fragen muss ob 1000 Tonnen im Jahr nur “ein Tropfen im Ozean” sind.
Ist es ok einen Wein damit zu klären um ihn vegan zu nennen?
Um Fair zu sein, viele Weine werden auch damit geklärt, ohne vegan genannt zu werden. Klar ist: Die Fischblase (hat ein Gesicht), darf man nicht einsetzen und ihn vegan nennen.
Hm, aber wenn die Fischblase Mikroplastik beinhaltet, darf man sie dann generell nicht einsetzen, weil sie verseucht ist? Oder übersehen wir hier vielleicht die perfekte Klärungskombination?
Ein Guitarist hat neulich gesagt “you need to do what adults are capable of doing, which is to hold two contradictory ideas of one thing in your mind at one time.” Wusste der Boss, daß er damit F. Scott Fitzgerald zitiert hat? 
Wer mehr über Ansätze zu einem nachhaltigen Umgang mit PVPP in der Weinherstellung wissen möchte, kann hier weiterlesen :
Holistic and Sustainable Approach for Recycling and Valorization of Polyvinylpolypyrrolidone Used in Wine Fining 
Sandrine S. Ferreira, Ana J. Alves, Luís Filipe-Ribeiro, Fernanda Cosme, and Fernando M. Nunes
ACS Sustainable Chemistry & Engineering 2018 6 (11), 14599-14606
DOI: 10.1021/acssuschemeng.8b03208
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