Wirf einen Blick auf die neuen PROBIERPAKETE unter SALE. Denn Probieren geht über Studieren.
Wirf einen Blick auf die neuen PROBIERPAKETE unter SALE. Denn Probieren geht über Studieren.
von Andrew Holloway Dezember 21, 2021 5 min lesen.
Häufig werden die Begriffe Dekantieren und Karaffieren synonym verwendet. Die Karaffe dient welchem Zweck? Puh. In manchen Weinstuben, Tavernen und Heurigen wird der Wein in einer Karaffe mit Eichmarke serviert, vielleicht um eine eichrechtliche Norm einzuhalten oder um eine nicht wirklich schicke Eichmarke auf dem Weinglas zu vermeiden. Vielleicht wird die Karaffe aus einem Bag-in-Box oder aus einem Getränkeschanksystem befüllt. Wenn ein Tank im Nebenraum steht, servierst Du den Wein lieber in der Karaffe am Tisch, als ihn dem Gast mit einem Schlauch anzufahren. Aber wenn Du es nicht lassen kannst, dann dabei bitte nicht vergessen, Deine Ausschankabsicht durch den fröhlichen Ausruf "Dem Herr sein Vino!" oder "ROTWEIN!" zu verkünden. Wir hatten eine kleine Weinbar mit einem durstigen Gast. Er trank unseren Hauswein, ein Weißwein aus Meran. Wir füllten ihn aus der Literflasche in die Literkaraffe und innerhalb kürzester Zeit wurde es populär. „Bring mir einen Liter Meraner!“ hieß es. Fazit: Die Karaffe vermittelt, die Karaffe misst.
Einen kleinen, aber feinen Unterschied gibt es dann doch: Ein Dekanter ist gut an seiner bauchigen, oft auch ausladenden Form zu erkennen. Dekanter sind edle Gefäße, die vor allem an festlich gedeckten Tafeln ordentlich was her machen. Eine Karaffe mit ihrem schlanken Bauch hingegen wird eher zunächst im Alltag eingeordnet.
Wenn jetzt ein junger Wein karaffiert wird, weil er Luft braucht, dann landet er zumeist in dem bauchigen Dekanter. Denn in ihm kommt nun mal am meisten Luft an den Wein. Will man einen alten Wein nun aber von seinem Depot trennen, landet der edel gereifte Rebensaft in der Regel in einer Karaffe. Hier kommt weniger Luft an diesen ran, er “zerfällt” im Zweifelsfall also nicht.
Zweck des Dekantierens ist wie eben beschrieben für manche die Trennung des Bodensatzes vom Wein. Gerade bei älteren Weinen bilden sich gerne Ablagerungen - das sogenannte Depot - welches beim Trinken als störend empfunden wird. Aber Vorsicht. Der Versuch – komme, was wolle - den Wein von seinem Depot zu trennen, kann dazu führen, daß jenes Depot sich vom Flaschenboden befreit und in Umlauf kommt. Manche Depots sind bitter oder sandig im Mund (Weinstein). Wir raten daher vom Zwangsdekantieren von alten Jahrgängen ab. Gehe lieber schonend damit um. Hol die Flaschen aus dem Keller und lass den Wein 24 Stunden stehen – dort wo er später auch getrunken wird. Lass zwei Finger Wein in der Flasche. Bitte, liebe Weinliebhaberinnen und Weinliebhaber, das Dekantieren von Wein mit dem Dekantieren von Portwein nicht verwechseln. Das ist eine besondere Botschaft an alle, die gerne ihre ganzen Apparate mit Filtern und Musselin, Retorten und Kerzen ins Spiel bringen wollen. Hört auf. Lasst es sein.
Das Dekantieren fügt dem Wein Sauerstoff hinzu, es belüftet somit den Wein. Das kann (muss aber nicht) dazu führen, daß sich der Wein "öffnet". Bestimmte Naturweine können zum Beispiel sehr verschlossen sein, wenn Du die Flasche öffnest. Theoretisch könntest Du mit dem Dekantieren versuchen, den Wein zum Öffnen zu zwingen. Was sagt das über Dich als Person aus? Du wendest beim Wein Gewalt an! Wirklich? Der seltene Fall des Dekantierens tritt ein, wenn Du es mit wirklich komplexen Rotweinen zu tun hast.
Ich habe schon Weine erlebt, die mit einem Dekanter besser geschmeckt haben: Die Weine von Angelo Gaja, viele Super-Toskaner, einige große kalifornische Weine oder Barolo. Aber Du musst Dich fragen, ob sich der Wein auch im Glas entwickelt hätte. Wenn ich auf einen "verschlossenen" Wein stoße, stecke ich in der Regel den Korken wieder in die Flasche und probiere ihn einen Tag später. Das gilt besonders für Naturweine, die ihr eigenes "Wetter" zu haben scheinen. Aber wenn Du einen fünf Jahre alten Bordeaux hast, der eigentlich erst nach 15 Jahren trinkreif ist, hilft Dir kein noch so gutes Dekantieren. Du kannst Mutter Natur nicht hetzen.
Die simple Antwort ist: Ja. Du kannst einen Wein dekantieren und den Moment, in dem er sich öffnet, völlig verpassen. Damit zerstörst Du den Genuss des Weins. Das habe ich einer Magnumflasche Grands-Échezeaux von Remoissenet angetan. Ich habe den Rotwein dekantiert und man konnte sehen, wie er im Dekanter braun wurde und starb. Als wir ihn dann alle in unseren Gläsern hatten, war die Show vorbei. Die schlimmste Bombe in meiner Karriere als Sommelier. Danach bin ich wortwörtlich aus der Stadt gezogen.
Ich glaube, das Problem des Dekantierens wird tatsächlich heikel, wenn die Situation, in der Du einen Wein öffnest, eine Art von Präsentation ist. Wenn Du (D)einen Wein vorstellst und versuchst, den Wein von seiner besten Seite zu zeigen, dann hoffe ich wirklich, daß Du ein Sommelier oder ein Nerd bist. Denn Du setzt Dich damit selbst unter einen großen Leistungsdruck. Beim Wein geht es doch um Entspannung, oder? Sommeliers haben eine Lizenz zum Dekantieren. Sie wissen, ob ein Wein vom Dekantieren profitiert, weil sie Dutzende desselben Weins öffnen und dabei gelernt haben, welche Weine Luft brauchen. Wenn Du eine einzige Flasche wirklich guten Wein hast und sie öffnest und feststellst: "Hey, der ist aber ganz schön verschlossen", dann solltest Du ihn auf jeden Fall dekantieren, auf eigene Verantwortung.
Zuerst ein Geständnis: Ich besitze keinen Dekanter. Sechsunddreißig Jahre im Weingeschäft und kein Dekanter. Ich sammle auch keinen Wein, aber das ist eine andere Geschichte. Die Frage ist vielleicht, welche Weine dekantiert werden müssen. Denn die meisten Weine brauchen das nicht. Du müsstest schon ein ganz bestimmtes Weinproblem haben, bevor Du zum Dekanter greifst. Meine Erfahrung aber: Wenn irgendwas nicht stimmt, führt das Dekantieren selten eine Verbesserung herbei. Wenn der Wein Kork hat, auch nicht.
Ich benutze einen Tonkrug. Das bedeutet, daß Du den Wein nicht sehen kannst und somit die Hälfte des Spaßes verpasst. Denn Wein dekantieren macht Spaß oder zumindest sollte es das. Ein schöner Kristall Dekanter erlaubt es Dir, mit dem Wein zu spielen, wenn das Dein Ding ist. Schöne Gläser erlauben es Dir auch, mit dem Wein zu spielen. Die Schnittstelle zwischen Wein und Glas ist, wenn Du so willst, visuell. Du kannst die Farbabstufungen, das Herz eines Weins und das Alter eines Weins sehen. Aber: an einem Dekanter zu schnüffeln wäre ein Fauxpas und wahrscheinlich unhygienisch, weshalb ich zu dem Schluss gekommen bin, daß große Gläser die besten Dekanter sind, zumindest für mich. Jeder Clown hat seine eigene Nase, wie man im Rheinland sagt.
Es gibt viele – und damit meine ich wirklich viele - Weinbelüftungsgeräte, Sprudler, Spiralen und Kaskaden. Und Du wirst Leute finden, die schwören, daß diese Geräte jeden Wein perfekt machen oder sogar einen 10-Euro-Wein wie einen 90-Euro-Wein schmecken lassen. Aber das sind nur Hamsterräder für Wein. Viel Spaß, ihr Hamster!
Wenn Du ein Fan von Design bist, dann könntest Du Dir einen Dekanter von Iitalla holen, die von Alfredo Häberli entworfen wurden. Du könntest sogar noch weiter gehen und einen handwerklich arbeitenden Glasbläser finden, bei dem Du ein Karaffe-Unikat für Dich in Auftrag gibst. Fortgeschritten! Oder Du könntest Dir die Mühe machen, den ganzen Weg nach Murano in der venezianischen Lagune zu fahren. Dort werden die schönsten Dekanter hergestellt. Wie Du siehst, oder wie ich hoffe aufzuzeigen, ist das Dekantieren von Wein ein Flug der Fantasie – jedem Jeck sein Geck.
Weine die wir auch mal dekantieren:
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